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Körperkontakte - Vom Killerrüden zum Killerweichei? : )

Es soll ja Kumpels geben, die von Beginn an anschmiegsam sind und sehr gerne mit ihren Menschen kuscheln, die sich aufdringlich an Besucher pressen und selbst von Fremden ihre Streicheleinheiten einfordern.
Ich war eindeutigerweise nicht so. Kontaktliegen, menschliche Nähe - nee, das war nicht so wirklich mein Ding. 
Natürlich habe ich mich schon auch anfassen und streicheln lassen, ich meine, das wird ja schließlich von Hunden so erwartet, oder. Aber ich sag mal so, Fraule hatte immer irgendwie das Gefühl, dass ich das mehr oder weniger wohlwollend habe über mich ergehen lassen, als dass ich es wirklich genossen hätte.
In der Tat habe ich es immer nur kurz ausgehalten - obwohl sie alles richtig gemacht haben! Nicht von vorne, nicht über mich gebeugt, nicht auf dem Kopf, nicht an den Pfoten, nicht am Poppes, nicht an der Rute, das mochte ich am allerwenigsten. Nein nein, sie haben schon die richtigen Stellen gefunden. Trotzdem bin ich schon nach kurzer Zeit wieder abgedackelt, habe mich irgendwo abseits hingelegt oder mich in mein Körble zurückgezogen, das nicht mal unbedingterweise im gleichen Zimmer sein muste, in dem sich gerade meine Menschen aufhielten. Ein knallharter Killerrüde eben.
Ich glaube, Fraule war manchmal etwas traurig darüber und hätte es sich durchaus auch anders vorstellen können. Sie dachte so an Füße wärmen im Winter und gemeinsam auf dem Sofa schlummern...
Trotzdem hat sie meine eremitischen Tendenzen immer akzeptiert und mich nie zu meinem "Glück" gewungen. Statt dessen nannte sie mich "Separatistenschwein"...

Und heute? Wie ist das heute?
Heute bin ich ein professioneller Füßewärmer! Kein Tag vergeht, an dem ich nicht aufm Sofa mitten auf Fraule draufliege und mich, lang ausgestreckt, am Bauch und in der Leiste kraulen lasse oder mindestens aber richtig richtig eng, haaach, an ihr dran liege. Wenn sie mich dann krault, drücke ich mich noch näher an sie ran, klappe meine Augen auf Halbmast und grunze wie ein Eber in der Brunftzeit. Und wenn sie aufhört, weil sie mal wieder was Wichtiges in ihr unseliges IPad tippen muss, stubse ich sie mit der Nase an, um sie an ihre Pflichten zu erinnern.
Im Bett liege ich erst ziemlich unauffällig am Fußende, doch im Laufe der Nacht erobere ich mir mein Territorium und arbeite mich bis ganz nach oben vor, teile manchmal das Kopfkissen mit Fraule und hauche sie friedlich an oder liege quer über oder zwischen Herrles Beinen, tiefenentspannt und schnarchend auf dem Rücken.
Früher undenkbar! Da wäre ich niemals freiwillig ins Bett gesprungen!

Woher nun eigentlich bei mir dieser 180-Grad-Sinneswandel? Nicht, dass ich von heute auf morgen vom Killerrüden zum Killerweichei mutiert wäre. Neeneee, das hat sich erst im Laufe der Zeit so entwickelt.
Hat das womöglich was mit dem Alter zu tun? Ich meine, immerhin bin ich schon zwei! Mutiere ich langsam zum zahnlosen Tiger? Friere ich mehr - so wie alte Leute nunmal frieren -, so dass ich es nun besser auf Decken und Sofas und in der Nähe wärmestrahlender Menschenkörper aushalte?

Oder hat das womöglich ganz andere Gründe?

Fraule bildet sich ja ein, das Schlüsselwort hieße Bindung. Es mag ja sein, dass es eine wichtige Phase der Prägung bei Welpen gibt, die mit der 12. Lebenswoche abgeschlossen ist, dennoch bedeutet das nicht, wie viele glauben, dass nun zwischen Mensch und Tier eine Bindung entstanden wäre, die praktischerweise gleich für ein ganzes Hundeleben anhielte. Ziemlich sicher hat das eine mit dem anderen nicht wirklich viel zu tun.

Richtig ist, dass natürlich vor allem Fraule und ich in den letzten zwei Jahren sehr viel miteinander erlebt haben, was uns im Laufe der Zeit mit Sicherheit zusammengeschweißt hat. Richtig ist, dass ich eine Erziehung genieße, die auf positiver Verstärkung beruht, und die enorm dazu beiträgt, eine auf Vertrauen und Respekt basierende Beziehung aufbauen zu können. Wir haben alle viel gelernt. Über uns selber, über den anderen, über die ganz alltäglichen Dinge im Zusammenleben. Es haben sich gemeinsame Rituale entwickelt. Wir waren zusammen in Urlauben. Wir haben kleine Abenteuer erlebt, waren gemeinsam Schwimmen und Wandern, Joggen, Paddeln und Schlittenfahren. Wir arbeiten und üben zusammen, in der Hundeschule und in Workshops. Wir haben gelernt und lernen immer noch, die Körpersprache des anderen zu interpretieren und wissen, wann wer gut oder schlecht drauf ist. Wir sind ein starkes Team!
Und das, so glaubt Fraule, seien die wahren Gründe, warum ich heute aufs Sofa spränge, sobald sie da drauf säße und warum ich es so sichtbar und unersättlich genießen würde, angefasst und gekrault zu werden. Und zwar mittlerweile überall. Selbst am Poppes und an den Pfoten. Wenn es auch eindeutig Stellen gibt, die ich weitaus mehr bevorzuge.

Ich sag mal so: Möglicherweise hat Fraule ausnahmsweise mal recht. Fakt ist, gekrault zu werden ist heute für mich fast so wichtig wie Würstchen zu bekommen - nur viel einfacher... 
Und bevor jetzt irgendjemand lästert: Ein Killerrüde zu sein und gerne gekrault werden schließt sich GANZ UND GAR NICHT aus! Fragt Herrle. Der weiß das auch... : )

Kommentare

  1. Anna Peters mit dem Dicken12. November 2012 um 19:31

    Herrrlisch ehrlich geschrieben, mein süßer Knuddelhundiwillilein du! DAS darf jetzt nur der Sammy nicht lesen. Dir Küsschen zuhauch <3<3<3

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  2. sorry, da muss ich dir heftig widersprechen, Kuschelkontakte können, müssen aber rein gar nichts mit Bindung zu tun haben! generell kuscheln Rüden eh weniger als Hündinnen. Die Bindung zwischen mir und Hoshi war nahezu perfekt bis zu seinem Tod, trotzdem hat er nahezu jeden Kuschelkontakt abgelehnt. er war immer direkt in meiner Nähe, aber Körperkontakt gab es fast gar nicht, nur quasi Sekunden, er wollte immer einige cm Luft dazwischen haben. bei Willi hat es wohl eher was mit dem Alter zu tun. gerade Rüden wollen sich ab ca. Pubertät ein wenig abgrenzen, ist die Adoleszenzphase dann wieder zu Ende kann es wieder mehr Annäherung geben, ist aber individuell sehr unterschiedlich. zu Hoshi hatte ich die tiefste Bindung und er war von meinen Hunden derjenige, der Kuscheln am meisten ablehnte. Körperkontaktwunsch kann übrigens auch ein Zeichen von Unsicherheit, Unselbständigkeit und Kontrollbedürfnis sein :-)

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    1. nun ja, vielleicht hast du ja recht, ich bin nur hund und kein hundeversteher. und spreche nur für mich. ich sage nicht, der umkehrschluss sei auch korrekt. bindung geht sicherlich auch ohne anfassen. vielleicht hats auch damit zu tun, dass nicht alle menschen körperlich sind, und sich dadurch manche hunde eher auf distanz halten. die spüren das ja auch.
      ich war als welpe schon so, nicht erst in der pubertät.
      woran ich nun aber gar nicht glaube ist das mit der unsicherheit und dem kontrollbedürfnis und so. ich glaube, auch meine trainer würden bestätigen, dass ich nicht unsicher bin. und kontrollbedürfnis? darüber weiß ich zu wenig, aber wollte ich kontrollieren würde ich doch nicht so unkontolliert grunzen beim kontaktliegen, oder? nee, ich glaube, das würde sich anders anfühlen : )

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  3. Zum Thema Kontrollbedürfnis hab ich kürzlich einen interessanten Artikel gelesen, aber wo? *grübel* Wuff? Thomas Riepe? vermeintliche Anhänglichkeit des Hundes sieht man bei Hunden, die eher unsicher sind und daher das Bedürfnis haben, ihren Halter durch viel Körperkontakt zu kontrollieren. Diese Hunde haben öfters dann auch Probleme mit dem Alleinebleiben. Das kommt alles u.a. daher, dass sie vom Halter zuviel erzogen werden und ihnen zuwenig Selbständigkeit zugestanden wird.
    D.h. nicht, dass es bei euch so ist, aber ich wollte darauf hinweisen, dass viel Körperkontakt ein Zeichen für eine gestörte (!) Bindung sein kann, solche Hunde können auch grunzen :-)
    MEIN Bedürfnis nach Körperkontakt war zu all meinen Hunden gleich, aber wie bereits gesagt Hoshi mochte es trotz dem extrem guten Bindung nicht, Merlin war auch nicht sooo der Kuschelfanatiker, Dojan kuschelte sehr, sehr gerne, aber er war insgeheim manchmal unsicher und kontrollierte mich gerne. Kolja kuschelt mal sehr gerne, andererseits will er sich als adoleszenter Rüde auch mal abgrenzen :-). Man sieht, kein ganz einfaches Thema und auch hier gibt es keine festen Regeln oder gar Verallgemeinerungen :-)

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    1. Ute Blaschke-Bertold sagt: "Gute Bindung ist, wenn VIELE Bedürfnisse befriedigt werden und wenig Bedrohung passiert."

      Und: Förderung von Bindung: Räumliche Nähe ohne Angst, Körperkontakt ohne Angst, Füttern, Spielen, Social Support.

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  4. Klar hat dein Fraule recht! Bindung und Vertrauen entstehen nicht allein dadurch, die ersten zwölf Wochen zehnmal am Tag vor die Tür gesetzt zu werden, das Essen vorgekaut zu kriegen und ständig mit dem ÜBen neuer Alltagsituationen ins gemischte Rudel integriert zu werden. Ich habe anfangs zum Beispiel mein Futter nicht angerührt, bevor nicht alle signalisiert hatten, dass sie keinen Wert darauf legen mir den Napf leer zu fressen. Gekuschelt habe ich dagegen schon gern - wohl aber mehr als Beschwichtigungsgeste. Heute mache ich's wie du, wenn die mich nicht ausreichend kraulen, rücke ich ihnen extrem auf die Pelle.
    Sowas nennt man "Machtergreifung" und führt in der Zweibeinerwelt regelmäßig zu Bürgerkriegen - wir sind aber nunmal schlauer!
    LG, Enya

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