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Wer poppt ist dominant! : )

Erst Fraule, dann die Welt! : )
Ich verpenne 3/4 des Tages. Von morgens bis nachmittags läuft bei mir nix, da halte ich grunzend und schnarchend meinen Schönheitsschlaf.
Dann gehen wir raus. Je nach Wetter, Wochentag und Tagesform zwischen 30 Minuten und 2 Stunden, beim Wandern im Urlaub auch schon mal mehr. In dieser Zeit werde ich ausgelastet: Spazieren, Rennen, Schnüffeln, Erkunden, alltagstauglichen Kram trainieren, Joggen, Suchspiele, Apportieren, mit anderen Kumpels rennen, Schwimmen - je nach gusto und körperlichen und geistigen Bedürfnissen.
Soweit so gut.

Dann kommen wir nach Hause. Das unvermeidbare Ritual Pfoten, Beine, Bauch und Poppes mit dem Gartenschlauch abspritzen, in der Diele abrubbeln, Pfoten abtrocknen und im Körble mit ein paar Keksen zum Trost kurz ausdünsten, lasse ich ergeben über mich ergehen.
Soweit auch immer noch alles gut.

Dann darf ich ins Wohnzimmer, und jetzt gehts los:
Der Rappel kommt über mich, und ich springe in meinem adoleszenten Leichtsinn über Tisch und Bänke und lasse ihn raus, den dominanten Weltbeherrscher: Erst poppe ich das Sofakissen, dann poppe ich den Arm oder das Bein von Fraule, wenn ich dran komme. Ich stubse sie an, schmeiße meine Spielikiste um, zerre alle Spielis durch die Gegend, werfe die Schluppen in den Keller, leere die verbotene Tasche mit dem Altpapier und bespringe nochmal Fraule, sollte sie den Fehler machen, mir den Rücken zuzukehren, wenn sie sich runterbeugt, um aufzuräumen.
(Ich bespringe übrigens nur Fraule, niemals Herrle, ich dominante Sau!)

So. Alle wissen ja, wie der Dominanz beizukommen ist: Hier muss einfach mal eindeutig klar gemacht werden, wer der Chef im Haus ist und schon ist Ende mit der respektlosen Popperei! Be a Rudelführer! Lass den Hund deine Energy (in Form von körpersprachlich bedrohlichen Gesten) spüren! Und beachte die ausgefuchsten Regeln, wie:
  • Gehe immer als Erster durch die Tür!
  • Sitze immer höher als der Hund!
  • Lass den Hund immer hinter dir gehen (so wie bei den Türken, hörte ich, da muss die Frau ja ganz zu recht, wie ich finde, auch immer hinten gehen, damit sie nicht zu aufmüpfig wird...)!
  • Esse immer als Erster!
  • Ignoriere jede Spielaufforderung!
  • Gewinne jedes Spiel!
  • Ignoriere deinen Hund, wenn du heim kommst!
  • usw. usf.
Wenn du das alles brav einhälst, wird dem Hund schwuppdiwupp klar, dass er mal jor nüscht zu kamellen hat. Und schon wird er sein Dominanzgebahren wie Aufreiten an den rostigen Nagel hängen!
Naaa? Ist das logo? Na klar ist das logo! So ticken wir! Genau diese kausalen Zusammenhänge ziehen wir Hunde. Wir machen uns pausenlos Gedanken, welche Maßnahme welche Bedeutung haben könnte.
Und ist ja auch irgendwie logisch, dass wir zum Beispiel nur an der Leine ziehen, weil wir unserem Menschen sagen wollen, dass wir die Chefs sind und nicht etwa, weil lockeres Leinegehen in unserem genetischen Programm gar nicht vorkommt und es für uns somit total unlogisch, extrem anstrengend ist und enorm viel Impulskontrolle kostet, an der Seite unseres Menschen zu bleiben, statt unseren Instinkten nachzugehen, wie völlig unkoordiniert rechts und links zu schnüffeln oder im Angesicht der Katze auf der anderen Straßenseite dieser spontan nachzuspringen...
Und es ist auch völlig logisch, dass wir mit dem Leinezerren sofort aufhören und immer schön hinten gehen würden, wenn der Mensch nur endlich mal konsequent die oben genannten Regeln beachten würde.

Also, wenn ihr mich fragt, hört sich das so'n bisschen an wie die Geschichte mit Maria und der unbefleckten Empfängnis. Oder Medizin im Mittelalter: Trinke im Morgengrauen den Tau von 5 nach Norden ausgerichteten vierblättrigen Kleeblättern und deine Gicht wird für alle Tage verschwinden. Oder so ähnlich.
So vor lauter Ratlosigkeit eben ein bisschen Volksverdummung auf unterstem Niveau.
Glaubt ihr ernsthaft, im Hundekopf passiert sowas wie, "Ahhh, ich darf immer nur als letzter fressen, das muss was zu bedeuten haben! Am besten, ich hör' mal auf mit der Aufreiterei, das hat bestimmt was damit zu tun!"

Na schön. Von diesen wirklich lustigen Absurditäten mal ganz abgesehen, wäre Fraule dieses Volksverdummungsprogramm - in Fachkreisen auch "Rangreduktionsprogramm" genannt - echt viel zu anstrengend.
Sie macht's sich lieber bequem, im wahrsten Sinne des Wortes: Wenn sie die Zeit erübrigen kann, legt sie sich aufs Sofa, wohlwissend, dass ich dann sofort auf sie drauf springe und es mir auf ihr gemütlich mache - klar, was sonst, als dominanter Weltherrscher - und sie krault, massiert und streichelt mich dann und nutzt unser konditioniertes Entspannungssignal.
Und man siehe und staune... it's magic!
Im Nullkommanix sinkt mein Erregungsniveau auf ein Maß, dass mir gestattet, sanft ins Land der Träume zu gleiten.
Denn nichts anderes ist es:
Obwohl ich tagsüber viel schlafe - was sehr gut ist, sonst wär ich ja noch bekloppter! - putscht mich unser täglicher Gassigang dennoch so hoch, dass ich zwar eigentlich müde bin, aber zu Hause von selber eben nicht so leicht herunterkomme und etwas Hilfe benötige. Und Kontaktliegen hilft mir persönlich in solchen Situationen einfach am schnellsten.

Auch, wenn ich es höchst ungern zugebe: Ich besitze NICHT die Weltherrschaft. Grumpf. Ich reite auf, weil ich nicht weiss, wohin mit mir und weil ich den Körperkontakt brauche. Wenn Fraule statt aufm Sofa zu liegen am Tisch sitzt und arbeiten muss, stupse ich sie solange an, bis sie mich hochnimmt und ich es mir auf ihrem Schoß bequem machen kann.
Aber ganz sicher reite ich nicht auf, weil ich der "Chef" sein will. Was hätte ich davon außer 'n Sack voll Arbeit? Als Chef kann ich nicht 3/4 des Tages verpennen, so viel ist sicher.

Dominanz zwischen Mensch und Hund gibt's nicht. Wenn, dann tritt sie innerartlich auf, ist stets zeit- und situationbezogen und dreht sich immer um Ressourcen! Und wenn was sicher ist, dann, dass Fraule die Ressourcen verwaltet! Es gibt auch keine Rangordnung und hierarchische Strukturen in der Welt der Hunde - unsere Strukturen sind sehr fließend und inkonstant! -, genausowenig wie wir Rudel bilden, denn die bestehen ausschließlich aus Familienmitgliedern, also direkten Verwandten. So wie zum Beispiel die Rudel in der Welt der freilebenden (!) Wölfe. Und das ist wichtig zu erkennen, denn ergo kann der Mensch gar kein Rudelführer sein! Rudelführer sind in der Regel die Erfindung meist besonders menschlich (also hierarchisch) denkender Vertreter des Homo Sapiens, denn der Mensch enstammt nun mal einer strengen Rangordnung. Nicht so der Hund.

Bezogen auf den nicht vorhandenen Führungsanspruch geht es Hunden übrigens auch komplett am Arsch vorbei, ob sie als letzte was zu essen bekommen, niedriger sitzen als ihre Menschen, als letzte durch die Tür gehen oder ihrem Menschen nicht mehr überallhin folgen dürfen. Vergesst nicht, ihr habt uns so gezüchtet, dass wir uns mehr an euch binden als an unseresgleichen und überall da sein wollen, wo ihr seid - also beschwert euch nicht, dass wir hinter euch herdackeln und löffelt die Suppe fair aus!

In diesem Sinne: Lasst euch nicht verscheissern. Macht euch schlau, nutzt euren hochgerühmten, menschlichen Verstand und betrachtet ab und an mal die Welt mit den Augen eines Hundes. Ihr würdet staunen, wie schnell manchmal plötzlich ein Problem erledigt ist! : )

Kommentare

  1. "Rudelführer sind in der Regel die Erfindung meist besonders menschlich (also hierarchisch) denkender Vertreter des Homo Sapiens, denn der Mensch enstammt nun mal einer strengen Rangordnung. Nicht so der Hund."

    Ist dann auch der Grund, warum manche Zeitgenossen solche Dinge ins Hundeverhalten hineininterpretieren und alle für verrückt gehalten werden, wenn sie sagen, dass passive Unterwerfungsgesten weniger Unterwerfung im Sinne von "Verlieren" ist, als ein großer Vertrauensbeweis und nicht erzwungen wird.
    Nein, da muss immer ein Sieger und ein Verlierer herauskommen, sonst kommt der Mensch nicht klar!

    Sie sähen doch ganz deutlich, das ihre Hunde in Rängen organisiert seien, und Resource Holding Potential mal wieder ein neumodischer Schmarrn ist.

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  2. Gleiches Verhalten kenne ich auch von meiner Irish-Terrier-Hündin: Polly kommt von unseren Abenteuerausflügen in die große weite Welt häufig so aufgeputscht nach Hause, dass sie erst mal das Wohnzimmer rockt (inklusive Bespringen von allem Möglichen, Frauchen inklusive). Am besten hilft Hund einfangen, durchkraulen, streicheln, gut zureden, ins Körbchen bringen und Hand auflegen bis Hund einschläft. Und das dauert unter diesen Umständen nicht lange. Auf die Idee, dass es sich um Dominanzgebaren handelt, wäre ich bei einer einjährigen Hündin sowieso nicht gekommen. Ich beobachte Polly allerdings auf unseren Spaziergängen jetzt genauer und gehe einfach ein bisschen früher nach Hause, bevor sie komplett überdreht.
    Liebe Grüße aus Terrierhausen

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  3. Huhuuuu, ist ja ein spannender Blog. Werde mich mal jetzt reinvertiefen :-)
    Wenn du magst, schau mal bei uns vorbei... aber! Ist noch ganz neu! ...
    http://finschki.blogspot.de/
    lg Fina Bolonka

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  4. Hallo Willi,

    das hast du wieder super auf den Punkt gebracht. Daumen hoch!

    LG
    Luna

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  5. RiTa - die mit den 2 Pödels20. Januar 2014 um 23:10

    Hallo Willi, das ist ja mal spannend und lustig erklärt!! Meine Hündin hat auch solche Aufreit-Anfälle, ich habe aber früh schon gemerkt, dass sie es tut, wenn es ihr langweilig ist oder sie sich zu wenig beachtet fühlt. Wahrscheinlich hat sie mich vorher jeweils schon minutenlang von mir unbemerkt hypnotisiert, und eben, weil unbemerkt, muss sie zu härteren Mitteln greifen!

    Es gibt Leute, die entsetzt sind darüber und genau mit dem Dominanzgeschwafel kommen, das du auch ansprichst. Das müsse ich, als Scheffin, SOFORT UNTERBINDEN!!! Blablabla... Meine Hündin ist ganz und gar nicht dominant, alles, was sie dann will, ist ein wenig Aufmerksamkeit. Sie ist so ein armes verschupftes Ding, um das man sich nie kümmert... Nö, stimmt natürlich nicht :-) Sie ist übrigens schon 8 Jahre alt und macht dies mehr oder weniger seit immer, aber natürlich nicht immer. Nur manchmal abends, wenn sie angeödet ist, und ihr ist es egal, wem sie aufreitet! Allen in der Familie und jedem Fremden, der zu Besuch ist, sie ist da nicht wählerisch!

    Wie auch immer, du bist jetzt der erste, der mal sagt, dass die Aufreiterei auch andere Ursachen haben kann, und das finde ich toll!

    Herzlichen Dank und liebe Grüsse
    RiTa - die mit den 2 Pödels

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    1. ganz genau! aufreiten kann viele gründe haben, aber einen ganz sicher nicht: dominanz
      hunde reiten auf, weil das ihre gelernte strategie ist, mit einer situation klar zu kommen, aus stress, aus frust, weil ihnen eine spielsituation zu viel wird, weil sie zu aufgeregt sind, aus sexuellem interesse (wenn sie nicht kastriert sind), etc. etc.
      aber nicht, weil sie wem auch immer sagen wollen: ICH BIN DER CHEF. das ist eine zutiefst menschliche sichtweise, die mit der art, wie hunde ticken, nicht das geringste zu tun hat.
      aber leider ist das nur schwer aus den köpfen der menschen rauszubekommen.
      ich arbeite dran... : )

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    2. Ach, ich bin der Meinung, dass auch Kastraten aus sexuell-sympathischen Gründen durchaus mal aufreiten können.

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  6. Du bist allwissend Alter

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