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Klickst du noch oder markierst du schon? : )

Wir waren am Wochenende bei uns im örtlichen traditionellen Hundeclubvereinsdingens zum ZOSsen. Hund von Welt muss einfach mal 'n bisschen was ausprobieren, und wir sind sehr nett dazu eingeladen worden...

Wie ihr euch nun vorstellen könnt, treffen da mit mir Welten aufeinander. Ich will nicht vorschnell urteilen, die Leute dort sind echt voll nett, aber ich sag mal so... Clubvereinsdingens, wo meist noch über dem Eingang ein verwittertes Schild mit "Schäferhundeirgendwas" drüber baumelt, gibt es meistens so seit ca. 100 Jahren, und die Methoden, mit denen dort geschafft wird, stammen aus der gleichen Zeit. Der Fortschritt landet in solchen Clubdingern meist ganz zum Schluss, trifft man dort halt in der Regel auf geballte 30-Jahre-Hundererfahrung-ich-weiß-alles-Vereinsmeiereien.
Aber! Auch hier landet er, der Fortschritt! Schritt für Schritt, aber unaufhaltsam!

Insofern sieht man da auf der Wiese zunächst mal eine Menge Zeugs, was dem modernen Hund so ein bisschen das Blut in den Adern gefrieren lässt: Da wird geruckt, gezischt, im Kasernenton befohlen. Da wird körpersprachlich deutlich eingeschüchtert und gehemmt. Und da werden Signale wie Aufregung oder Überforderung der Kumpels anhand des eigenen Ehrgeizes übersehen oder fehlinterpretiert.
Und doch sind dort alle sehr bemüht und wollen ihren Hunden Gutes tun, denn irgendjemand hat behauptet, ZOS könne man nur positiv aufbauen. Und daher sind jetzt alle, zumindest gedanklich, schon mal auf dem Trip, voll positiv unterwegs zu sein.

Dazu gehört natürlich auch der Aufbau des Klickers - DAS Symbol der weichgespülten Hundeerziehung!
Hihi, Leute, die nicht mal wussten, dass es sowas gibt, bauen nun den Klicker auf. Manchmal - gut gemeint - ein bisschen zu dicht am Hundeohr, so dass diesem ab dem ersten Klick die Lust aufs Klicken ordentlich vergeht. Manchmal etwas gottergeben, gemäß dem Motto, "Hach ja, dieses neumodische Zeugs, wenn's denn sein muss...". Manche kämpfen beim Klicken mit ihren Koordinierungsschwierigkeiten und ganz viele klicken mit einem riesigen Fragezeichen über dem Kopf, so nach dem Motto, "Ich mach's, weil ich bin preußisch veranlagt, und was man mir sagt, mache ich, aber ehrlich? Ich habe null kapiert, was ich hier tue."

Aber: Alle bleiben wacker bei der Stange! Und das finde ich schon mal echt super!

Für uns nun wieder, mich und Fraule, gehört Klicken - also Markieren, wie es bei uns heißt - zum Leben dazu wie das Atmen. Wir machen ja nun auch seit es mich gibt nix anderes. Da wundert es demnach auch nicht, wenn bestimmte Abläufe bei uns so automatisiert von statten gehen, dass wir beide nicht mal mehr darüber nachdenken.

So auch beim ZOS. Ich sollte ein Trümmerfeld begehen und mich möglichst an vielen Orten freiwillig in den Platz legen. Fraule hat automatisch sofort markiert, sobald ich mich irgendwo hingelegt oder mich angstfrei durchgequetscht habe. Dieses Verhalten wurde mit Wurst verstärkt, weil Würstchen für mich nun mal schwer motivierend sind. Für uns eine Selbstverständlichkeit.

Ein Herr der eindeutig anderen Art der Hundeerziehung hat das beobachtet und kam anschließend zu Fraule. Ein interessantes Gespräch zwischen ihm - nennen wir ihn mal Leinenrucker - und Fraule entspann sich:


Leinenrucker: "Ahaaaa! Du klickst immer? Also auch Sachen, die mit dem Training selber gar nichts zu tun haben?"

Fraule: "Ja, ganz genau. Ich markiere jedes erwünschte Verhalten."

Leinenrucker: "Ahaaaa! Und du benutzt sowohl einen Klicker als auch ein Wort? Sind die denn gleichwertig?"

Fraule: "Absolut! Ich benutze beides, man hat ja nicht immer den Klicker am Mann, nicht wahr? Wobei der Klicker draußen in aufregenden Situationen besser ins Hirn vordringt als das Wort, finde ich..."

Leinenrucker: "Also das ist spannend! Und wenn du klickst, dann heißt das eigentlich nur, dass der Hund danach ein Stück Wurst bekommt?"

Fraule: "Ja, ganz genau. Der Klick heißt, dass danach etwas Schönes, etwas Belohnendes kommt. Das muss nicht nur Wurst sein. Das kann alles mögliche sein. Zum Beispiel auch Distanz, wenn dein Hund sich vor etwas fürchtet - nur mal als Beispiel, um dir zu zeigen, wie weit das Thema bedürfnisorientierte Belohnung gefasst ist..."

Leinenrucker: "Ach! Das muss also nicht immer etwas zum Fressen sein? Das ist aber wirklich interessant..."

Fraule: "Nein, ganz genau. Es gibt ja Situationen, da kann der Hund vor lauter Aufregung gar nichts nehmen."

Leinenrucker: "Spannend! Und ich habe gesehen, wenn du klickst, dann lässt du dir sogar Zeit mit dem Belohnen? Du greifst erst dann in die Tasche. Das ist dann gar nicht mehr so hektisch!"

Fraule: "Absolut! Das ist ja das Schöne am Markieren. Du kannst dem Hund punktgenau sagen, dass er etwas toll gemacht hat. Und für das Belohnen selber hast du dann etwas Zeit, in Ruhe die Belohnung auszupacken. Menschen sind ansonsten nicht so gut im Timing, weißt du, und verstärken häufig Verhalten, das sie gar nicht verstärken wollen."

Leinenrucker: "Ja, das hab' ich wohl gemerkt... Und wie lange muss ich klicken? Ich meine, kann ich damit dann irgendwann wieder aufhören?"

Fraule: "Wenn du mit deiner Frau oder deinen Kindern irgendwann eine Form der Kommunikation gefunden hast, die sehr gut funktioniert, hörst du damit dann irgendwann wieder auf? Ich würde lieber ein Leben lang markieren und belohnen statt ein Leben lang zu strafen, zu rucken und zu schreien..."

Leinenrucker (nachdenklich): "Ja, da hast du recht... Weißt du, das ist alles sehr neu für mich. Und gar nicht so einfach, wenn man so aus einer völlig anderen Richtung kommt..."


Leute, und ich sage euch: Der Fortschritt macht auch vor Vereinsclubschäferhundedingens nicht halt! Wir kommen. Schritt für Schritt. Ich find's geil. Grumpf! : )

Kommentare

  1. hach, Happy Ends sind immer wieder toll =D

    liebe Grüße
    shira

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  2. Jap, das ist die Invasion der Freundlichen auf dem Hundeplatz. Aber ich finde es klasse, dass manche sehen, dass es klappt und sogar nachfragen. Speziell der Leinenrucker fängt an umzudenken und fragt die "Wattebauschwerferin", wie sie das macht! Das ist klasse. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen und langsam ändern sich die Dinge. Mit Geduld und Spucke wird das was... :-)

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  3. Huhu
    Das ist sehr schön geschrieben! Meine Vi fängt gerade auch damit an.... ich bin ja auch noch jung ;) Mal sehen was dabei so rum kommt ;)
    Schlabbergrüße Bonjo

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  4. Sehr schön :) Genau so macht man das. Wenn man erst mal verstanden hat was man da genau macht dann sind die Möglichkeiten schier grenzenlos :)

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  5. Paradox wie manch einer nicht "ständig loben" will, aber ständiges strafen geht in Fleisch und Blut über und wird nicht mal mehr wahrgenommen. Aber so geht es uns mit dem Belohnen, gell?

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  6. Ok... es gibt ehrlich Leute, die ein Hundeleben lang Klicker und Leckerli mit sich tragen möchten und meinen, DAS wäre Kommunikation? Irgendwie habe ich das Gefühl, Hunde werden heute für völlig degenerierte, dumme Lebewesen gehalten... dabei sind sie doch SOZIALE Lebewesen, seit Jahrtausenden mit uns Menschen verbunden und WOLLEN mit uns zusammen arbeiten! Also ehrlich... warum wird alles unnötig verkompliziert...
    verwirrte Grüße
    Anne und die Hundenasen (die nie in einer Hundeschule waren, Klicker nur für die Dressur gesehen haben und ansonsten einfach Hund sein dürfen)

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    1. Ach Gotterle... ich muss bei meinem sozialen Rüden fast nichts machen, der ist einfach nur dabei, lernt, hat fast unendlich Impulskontrolle, etc. Bei dem "asozialen" aber lob ich mir den Clicker, die Entspannungsübungen, den Geschirrgriff.

      Die Arroganz hat man wirklich genau nur, wenn man Hunde der ersten Kategorie hat. Ich habe auch mal so gruselig dahergeredet.

      Stell dir vor, der beclickerte Hund darf auch Hund sein, ich mach kein Kaninchen draus!

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