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Sinn und Verstand - es gibt ihn noch! Aber nur im Kleinen... : )

Es gibt da einen Hund. Dieser Hund ist echt ne arme Sau. Der lebte in Spanien, zusammen mit seiner Gefährtin. Die beiden waren ein Herz und eine Seele und hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Es blieb ihnen auch nichts anderes übrig, denn mehr als sich selber hatten sie nicht. Sie lebten bei einem alten Knacker, der sie in einem Schuppen hielt und nie raus ließ. 4 Jahre lang lebten sie dort ohne Tageslicht, ohne Auslauf. Das Futter hat der miese alte herzlose Drecksack ihnen in den Schuppen geschmissen. Der Hund verlernte das Laufen, er lag nur noch rum. Die Muskulatur an den Hinterläufen bildete sich zurück, so dass er gar nicht mehr die Kraft hatte, sich von sich aus zu bewegen.
Eines Tages starb der Alte - Gott hab ihn selig - und die Hunde kamen in einen Shelter, wo die Hündin, seine Gefährtin und Beschützerin, ebenfalls nach ein paar Monaten starb. Der Hund musste plötzlich mit 450 anderen Hunden allein klar kommen, was ihm nicht gelang. Er wurde dort ziemlich gemobbt, hatte furchtbare Angst, so dass er sich nur in eine Ecke verkroch und dort auf sein Schicksal wartete.
Er musste 1 Jahr warten. Mittlerweile ist er geschätzte 12 Jahre alt.
Es geschah tatsächlich ein Wunder, das der Mehrheit alter abgeschobener Hunde niemals widerfährt: Es kam eine deutsche Familie und holte ihn zu sich, "weil er doch sonst keine Chance mehr gehabt hätte". Sie holten ihn höchstselbst in Spanien ab und brachten ihn zu sich nach Hause, mit dem Ziel, ihm einen schönen Lebensabend zu schenken. Diese Familie hatte vorher noch keinen Hund, dieser ist ihr Ersthund.
Die Leute sagen, "Seid ihr verrückt, was tut ihr euch an". Einige Hundetrainer sagen, was sie offensichtlich zu jedem zweiten Kunden sagen in ihrer unendlichen pädagogischen Einfühlsamkeit und Weisheit: "Das bekommt ihr nie hin". Oder auch: "Tierheimhunde trainieren wir nicht".

3 Wochen ist der Hund nun bei der Familie. Die meiste Zeit schläft er, am liebsten allein, in einem anderen Zimmer. So kannte er es bisher. Er steht niemals von sich auf aus. Zum Gassi müssen sie ihn tragen, denn er mag nicht draußen sein, weil es dort viele Hunde gibt, die unangeleint, unerzogen und unbeaufsichtigt dort herumrennen und ihn bedrängen. Er hasst das. Er legt sich dann hin und macht nichts mehr. Seine Familie versucht, ihn zu beschützen und abzuschirmen, was nur schlecht gelingt - einige Hunde sind einfach zu frech. Deren Besitzer lachen einfach darüber und lassen es die Hunde "unter sich regeln".
In dem Wohnviertel gibt es viele Hunde. Und alle sind Therapiehunde - sagen die Besitzer. Und so kommen sie mit ihren Hunden ungefragt und therapieren den Hund, indem sie ihre Hunde zu ihm schicken und sie "mal machen lassen". Die Bitte der Familie - aus dem Bauchgefühl heraus, dass dies irgendwie nicht gut sein kann - dies zu unterlassen,  ignorieren sie - schließlich geht es um eine Therapie, die den Hund schnell heilen wird. Die Familie weiß nicht mehr, wie sie sich die wohlmeinenden Leute vom Hals halten sollen und sehen nur das Leid ihres Hundes.

3 Hundetrainer haben sie sich angeschaut. Der erste hat gleich seine Hunde aus dem Auto geholt, damit die den Hund kompetent therapieren können. Der zweite hörte, dass der Hund große Angst hat, wenn ein Mensch hinter ihm geht, und so ging er beim Probegassi die ganze Zeit dicht hinter ihm. Man kann schließlich nie früh genug anfangen mit dem Therapieren.
Der dritte beugte sich über den Hund und warf sich zum Streicheln enthusiastisch auf ihn und riet der Familie, ihn nicht in seiner Angst zu bestätigen, indem sie ihm zu viel Aufmerksamkeit schenkten. Sie sollten ihn besser ignorieren und auch bloß nicht loben.

Tja. Ich sag' jetzt einfach mal nix dazu. Weil, wenn ich jetzt anfange, dann hör' ich nicht mehr auf.
Ich konzentriere mich lieber auf das, was mich wirklich beeindruckt:
Diese Familie! Die keine oder wenig Erfahrung mit Hunden haben, und dennoch alles richtig machen. Weil sie auf ihr Bauchgefühl hören. Weil sie sensibel sind. Weil sie sich einlesen in die richtige Lektüre. Weil sie nicht aufgeben und sich nicht beirren lassen und nun auch einen Trainer gefunden haben, der sie so anleitet und berät, wie sie sich das vorgestellt haben.
Diese Familie, die dem Hund intuitiv die Zeit gibt anzukommen, die er braucht, um die furchtbare Vergangenheit, den Flug, die lange Reise ins Ungewisse, die neue Umgebung und die Trauer um den Verlust seiner Gefährtin zu verarbeiten. Die ihn nicht bedrängt, ihm alle Optionen offen lässt, sich sicher und zu Hause zu fühlen, die Vertrauen aufbaut durch Zurückhaltung, Einfühlsamkeit, Schutz und Liebe und die schon kleinste Veränderungen bemerkt, wie einen interessierten Blick, wenn ein Tennisball rollt, ein Blick in ihre Richtung, ein Schutzsuchen an ihrer Seite, ein sich ans Bein drücken oder das glänzende Fell, das langsam zu Tage tritt.

Wie sie sich Therapiehundeinvasionen und aufdringlichen Kläffern stumpfsinniger Nachbarn erwehren können, wissen sie nun auch. Und wie sie ihrem Hund den Stress des Viertels ersparen können, ebenfalls.
Und sie wollen noch mehr wissen! Weil sie diesen sanften Hund in ihr Herz geschlossen haben und fest entschlossen sind, ihm ein schönes Restleben zu bescheren.

Davor habe ich große Hochachtung! Und es bestätigt mir, dass Sinn und Verstand neben Horden riesengroßer Vollidioten doch noch nicht ausgestorben ist.
Über bodenlose Egozentrik, Dummheit, Unsensibilität, fachliche Unkenntnis und Dickfälligkeit kann ich mich auch wieder ein ander mal auslassen. Ich geniesse jetzt erstmal die ausgesprochen guten Vibrationen! : )

Kommentare

  1. Kompliment an die Familie.Vor unendlich vielen Jahren bekam ich eine solche Katze. Die ersten Monate! lebte sie unter unserer Couch und kam nur nachts raus. Weil sie sich nicht traute das Wohnzimmer zu verlassen, stand das Katenklo während dieser Zeit im Wohnzimmer.

    Wir haben sie gelassen. Als sie das erste mal unter dem Sofa hervorkam als wir im Wohnzimmer waren, erstarten wir. Bloß keine Bewegung machen, die die Katze erschrecken könnte.
    Die Katze lebte acht Jahre bei mir, bis sie im Alter von 21 starb. Sie war nachher eine ganz "normale" Katze, hat sich toll entwickelt, weil wir ihr die Zeit gegeben haben, die sie brauchte.

    Das schaffen die Besitzer auch! Ich drücke fest die Daumen, nur nicht den Mut verlieren.

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  2. hast Du wieder perfekt auf den Punkt gebracht :) sehr schön - sollten so einige mal drüber nachdenken

    also wiedermal ein Danke von mir :)

    wenn ich so überlege wie es war als ich vor4,5 Jahren die beiden Panikdoggen übernommen habe, 2 Mädels, Geschwister ( vermutlich), eine davon fast blind - mein Gott was gabs da " Experten Ratschläge" vom sofortigen trennen der beiden ( " weil sie sich gegenseitig in ihrer Angst bestärken ") bis zu zwangsbekuscheln und in Menschenmengen gehen ( " da müssen die durch " ) und anderen guten Ratschlägen.... bis zum Rat diese oder jene Folge des " Erdnuckels mit dem Zahnpastalächeln " zu schauen - ich könnte ein Buch schreiben ;)
    Hätte ich diese Ratschläge alle beherzigt oder probiert wären wir nicht heute da wo wir sind und es wären nicht die netten offenen Hunde die jedem freundlich begegnen ( ob Mensch oder Tier )

    liebe Grüße Malu

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