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Schlecht erzogen >: )

Schlecht erzogen : )
Hundebegegnungen an der Leine sind bei mir nicht immer relaxt - ich geb's zu. Fraule geht deshalb mit mir gewöhnlich einen Bogen oder lässt mich seitlich des Weges im Sitz warten oder etwas suchen, bis der andere vorbei ist. Das klappt meistens sehr gut, manchmal nicht. Vor allem, wenn's der Erzfeind ist. Da kann der Abstand gar nicht groß genug sein.

Unser Besuch mit zwanzig Jahren Hundeerfahrung sagt, das sei falsch. Es könne doch nicht angehen, so viel Geschisse um einen Hund zu machen, und sogar beim Spaziergang anzuhalten, nur um in Ruhe an einem Hund vorbei zu kommen.

"Wieso nicht?", fragt Fraule und versucht zu erklären, dass man dem Hund in kleinen Schritten beibringen könne, solche für ihn zu aufregenden Situationen souverän zu meistern. Für ein entspanntes Aneinandervorbei sei ein Abstand, der so groß ist, dass der Hund ruhig bleiben kann, die erfolgversprechendste Maßnahme. Und je öfter er dabei tatsächlich erfolgreich sei und daran gehindert würde, in alte Muster zurückzufallen, desto eher könne man den Abstand schließlich auch verkleinern. Oder eben auch nicht. Jeder Hund sei unterschiedlich und hätte seine höchsteigene Individualdistanz, abhängig von der Tagesform, und für den einen sei Nähe eben kein Problem, für den anderen zeitlebens schon.

"Schlecht erzogen", sagt der Besuch mit zwanzig Jahren Hundeerfahrung entschieden. "Wie lange soll denn dieses sogenannte Training dauern? Kurz bevor er stirbt, hat er's dann drauf, oder wie?"

"Vielleicht", sagt Fraule. "Vielleicht auch nicht. Und das macht auch nichts. Wenn sich mein Hund wohler fühlt, wenn ich ein wenig Abstand einhalte, warum sollte ich ihm den nicht zugestehen? Welchen Zacken breche ich mir aus der Krone, wenn ich zur Seite gehe und kurz warte, dafür aber keinen Aufstand habe und mein Hund locker bleibt?"

"Aber es muss doch auch andere Möglichkeiten geben. Er muss lernen, zu gehorchen. Ein Hund hat zu funktionieren. So sehe ich das", sagt der Besuch mit zwanzig Jahren Hundeerfahrung.

"Du meinst 'mit harter Hand', richtig?" fragt Fraule interessiert. "Mal zeigen, wer der Chef ist. Kurz anschreien, ordentlich an der Leine rucken oder einen mit der Leine überziehen - dann wird das schon, stimmt's?"

"So hat das immer geklappt. Wieso heute nicht mehr?", behauptet der Besuch mit zwanzig Jahren Hundeerfahrung.

"Bist du ganz sicher? Hat das wirklich immer so geklappt?", fragt Fraule. "Guck sie dir doch an, die Hunde, die so erzogen werden, falls du dich dazu herablassen kannst, dir die Mühe zu machen, hundliche Körpersprache zu bemerken und gar zu verstehen: Geduckte Haltung, angelegte Ohren, ängstliche Blicke, tiefhängende Ruten, misstrauisch dem eigenen Menschen und anderen Hunden gegenüber - tickende Zeitbomben.
Das sind die, die dann eines Tages in die Zeitung kommen, weil sie 'plötzlich wie aus dem Nichts' zugebissen haben. Die dann am Ende im Tierheim landen oder eingeschläfert werden, weil der eigene Mensch behauptet, dass der Hund leider bösartig sei und keine Züchtigung mehr wirken würde. Die Tierheime sind voll mit diesen Hunden.
Und die anderen, die 'lieben, die brav funktionieren', also die, die sich nie trauen, sich zu wehren, das sind die, die ein Leben lang gehemmt neben dir herlaufen. Welch glückliches Leben! Erinner dich an deinen letzten Hund. Der ist immer gegangen, wenn du gekommen bist. Ist es das, was du unter funktionieren verstehst?
Ich für meinen Teil will keinen Hund, der vor mir den Duckmäuser macht und Meideverhalten zeigt. Das finde ich grauenvoll. Deshalb gehe ich diesen Weg. Er ist meinetwegen langwieriger und mühevoller, als wenn man maßregelt, aber langfristig erfolgreicher, denn der Hund bekommt die Chance, alternative Verhaltensweisen zu lernen. Und dieser Weg macht mir Spaß. Ich freue mich über jeden kleinen Erfolg und sehe, dass mein Hund gerne mit mir trainiert und keine Angst hat vor mir. Er kann heute viele Situationen besser meistern als vorher und er lernt täglich dazu.  
Wenn ich nicht gewillt bin, dieses "Opfer" zu bringen, dann sollte ich keinen Hund haben."

"Einfach schlecht erzogen", murmelt der Besuch mit zwanzig Jahren Hundeerfahrung.

Danach wurde übers Wetter geredet... : )

Kommentare

  1. Besuch mit 20 Jahren Hundeerfahrung mögen wir nicht - denn Gespräche mit diesen verlaufen immer wie oben :(

    liebste Grüße
    Dani mit Inuki, Skadi und Ghandi

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  2. Wieder einmal sehr gut dargelegt. Es sträuben sich mir immer die Nackenhaare, wenn "gut erzogen" mit "gut funktionieren" gleichgesetzt wird. Und dann immer diese Formulierung es sei "Heititei-Hundeerziehung" (schreibt man das so?), wenn man seinen Hund mit Leckerchen "vollstopft" - das müsse auch so (?) gehen... Also mal davon abgesehen, dass positive Verstärkung auch über andere Ressourcen als Futter laufen kann: warum soll ich meinen Hund strafen, unterdrücken, verängstigen oder "dominieren", wenn ich die gleichen Ergebnisse auch ohne Gewalt und Stress haben kann? Ich habe glücklicherweise drei sehr gelassene Hunde - egal ob mit oder ohne Leine - und wir geben Hunden mit größerer Individualdistanz gerne Raum zum stressfreien Miteinander. Wieso erwarten wir von unseren Hunden ein distanzloses Miteinander, wenn wir den einen oder anderen Menschen auch nicht nah an uns heranlassen mögen?

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    1. Hab erst heute drüber gepostet:

      http://hoellenhunde.tumblr.com/post/61384129829/when-can-i-get-rid-of-the-treats

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  3. Das gefällt mir - endlich noch jemand, der nicht schief schaut, wenn ich erkläre, dass ruhiges Absitzen auch der richtige Weg sein kann. Für Lilly sind Hundebegegnungen auch ein Problem. Eine zeitlang war es purer Stress für uns beide. Und jetzt? Jetzt sitzt sie entweder ruhig hinter mir am Rand und lässt den anderen Hund vorbei oder wir sind zeitweise schon so weit, dass wir "ganz normal" am anderen Hund vorbeigehen können :)

    Liebste Grüße

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  4. Hallo,

    Dein Besuch mag es so sehen und ich respektiere dies auch. Soll jeder seinen Hund so erziehen, wie er es mag, solange niemand, namentlich das Tier selber leidet. Wie auch in der Kindererziehung gibt es immer neue Methoden und vielleicht hat der Besuch diese nicht kennengelernt. Ich selber agiere genau wie Du, wenn wir unsere Ernstfeinde treffen.
    denn auch ich bin Teil dieser Konstellation und muss mit der Situation zurecht kommen.

    Ein interesaanter Post, der mich in meiner Ansicht durchaus bestätigt, da ich auch keinen dressierten Hund haben möchte...

    Viele liebe Grüße
    Sabine mit Socke

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    1. Hä? Normalerweise sind wir, die "Wattebauschwerfer", die Duzidus, die mit den dressierten Hunden.

      Und nein, nicht jeder wie er mag... denn das Leid der Hunde ist bei vielen unsichtbar. Zwar habe ich hier Exemplare sitzen, die sich damals dann gewehrt haben (und deswegen abgegebeb wurden), aber das ist nicht der Großteil der Hunde. Es hat schon 20 Jahre funktioniert, weil die wenigsten Hunde sich wehren,.. so viel Toleranz haben sie dem Menschen gegenüber... und ich habe das selbst lange Zeit nicht wahrgenommen.

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  5. Beim Lesen der Zeilen musste ich immer wieder schmunzeln.

    Auch ich kann auf solch 'erfahrenen' Besucher und vor allen Dingen auf die noch erfahreneren Hundebesitzer erzichten, die mir immer wieder eine einzutrichtern versuchen, dass ich mit 'fester' Hand durchgreifen müsse oder mir mitteilen, dass 'der besser erzogen werden müsste'.

    Herzliche Grüße, Uta & Emil

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  6. Oh Gott, kenn ich.
    Akuma "müsse halt da durch!" - Wenn ich sage, dass er erst dadurch so wurde... wird geglotzt und dann: "Ja, aber es kann ja nicht sein, er muss halt lernen, blablabla!"

    Von "über der Reizschwelle", "reaktiv" oder gar "Deprivationssyndrom" wollen die Leute dann erst recht nicht hören.

    Beste Antwort eines Gegenübers war dann: "Biste Hundetrainer oder was?!"

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  7. Mein liebster Killerrüde
    Klar geb ich dir an der einen Stelle absolut Recht , wie dein Frauchen das handhabt finde ich es auf jeden Fall richtig , obwohl auch das absitzen und warten bis der Feind vorbei ist , das richtige ist. Unser Kampfcollie kann nämlich auch sitzend sehr hysterisch sein und für sie ist es am besten wenn sie etwas actionmässiges macht . Ich lasse den Feind am liebsten, natürlich mit Abstand stehend vorbei ziehen. Setzen und aufstehen ist zuviel Bewegung und Energieverschwendung!
    Trotzdem , muss ich mal sagen, finde ich es etwas doof von dir , das du hier 'in Schubladen denkst' , nicht alle Menschen mit 20 Jahren Hundeerfahrung erziehen ihre Hunde heute noch so , wie sie es vielleicht vor 20 Jahren einmal irgendwo falsch gelernt haben.
    Auch bei den 20 Jahren Hundeerfahrenen gibt es Weiterentwicklungen!
    Manchmal , so scheints mir , sind einfach nur die neustudierten Trainer die wahren Trainer!
    Sorry , fühl dich bitte nicht angegriffen , aber so manches mal erscheint es mir hier und da so!
    Liebe Grüsse
    das Früchtchen

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    1. mööönsch früchtchen, hast du deine tage??? kchchchch : )
      mein besuch hat wirklich 20 jahre hundeerfahrung! ich hab's nämlich ausgerechnet. so über die pfote gepeilt. vielleicht auch 21. das weiß ich nicht so genau.
      und trotzdem hat der besuch keinen schimmer über hunde. er hat zum beispiel auf gemurmelt "schlecht erzogen", als ich ihn zur begrüßung beschnüffelt hab. ich bin nicht mal hoch gesprungen, also ehrlich.
      dieses mal hab ich also wirklich keine schublade bedient, menno.

      und dass ein hund nicht nur sitzen soll ist doch klar. er soll das machen, was er in der situation am besten kann - außer zu pöbeln. und ich kann halt am besten sitzen. und für den anderen ist das auch gut, weil das wirkt nämlich deeskalierend.

      es ging ja nur darum, dass der besuch überhaupt nicht eingesehen hat, warum fraule mit mir zur seite geht und sich nicht an dem hund vorbeiquetscht.

      capice?
      dein killerrüde <3 : )

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  8. Sorry, aber ich verstehe nicht, was Du mir sagen möchtest. Oder wie Du es formuliert hat Hä?

    Jeder wie er mag , solange niemand leider insbesondere nicht die Tiere war meine Aussage. Insoweit verstehe ich Deine Antwort nicht.

    Nachdenkliche und verwirrte Grüsse

    Sabine mit Socke

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    1. Ich kenne den Vorwurf der Dressur eher an die Wattebauschwerfer. Nicht anderherum, wie du es formuliert hast.

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  9. Ach Schätzelein....ich krieg doch meine Tage nicht mehr ....bin zwar noch nicht in den Wechseljahren....aber sie haben mich doch einer Innerei beraubt!
    Das war ja wohl ein äusserst zurückgebliebener Besuch , mit solchem Besuch ist es schwer auszuhalten, hatten wir auch schon... wenn ich ehrlich bin....wenn dieser Besuch sowieso schon sagt das du schlecht erzogen bist , dann hättest du ihr auch ans Bein pinkeln können. Dann rechtfertigt das schon eher den Titel schlecht erzogener Killerrüde! :)
    P.S. Ich hab schon verstanden wie du da meintest .....aber das wiederholte Male '20 Jahre Hundeerfahrung' reizte mich etwas! :)
    Schönen Tach wünsche ich
    Das Früchtchen

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  10. Lieber Willi,
    Dein Frauchen hat total recht. Ich handhabe das genauso. Das Wichtigste ist nämlich, daß man hinter seiner Entscheidung/Anweisung steht. Nur weil irgendjemand der Meinung ist, nur dieses ist der richtige Weg, dann ist das falsch. Scotti, mein Aussi, läuft/hört an der Kutsche am Besten. Mein Pferd niemals mit Blendklappen, das funktioniert garnicht und meine Kinder, geboren im Mai 2013, finden das Schlafen in Rückenlage oberkacke. Fazit: ein Spaziergang ohne Pöbelei, ein 100% verkehrssicheres Pferd und ruhige Nächte ... was soll daran falsch sein???
    Mach weiter so und Dein Frauchen auch.
    Die Wackeltante

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  11. Wir machen das genauso und "Mama", wie auch wir, gehen dadurch stressfreier spazieren. "Mama" kann das gar nicht gut haben, besonders, wenn wir auch noch zu zweit sind, dann können wir uns gegenseitig so richtig anstacheln... ;-) Ich bin leider die Oberzicke, die Jungs sind cooler, aber was soll's, "Mama" findet immer eine kleine, gute Ablenkung oder wir gehen in eine andere Richtung. "Mama" benutzt auch das Gelbe Band für den Gelben Hund ;-) Mehr Abstand bitte... etc. Ich sag' zu ihr "Mama", da sich mich bereits in der 4. Lebenswoche aufgenommen hat. Mir fehlt einiges, was andere noch mit den Geschwistern und ihrer Mama gelernt haben... :-( Aber aus mir ist auch was geworden :-D und der Pöpelei gehen wir aus dem Weg :-) Herzliche Grüße, Deine Hailie mit den Jungs

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  12. Hab ja in nem anderne Kommi (*Spam dich zu* ;) ) schon meine Erfahrungen mit dem Ablenken bei Leinenpöblern erzählt. Hatten auch schon- Bogen laufen, Hund ablegen und warten, Blickkontakt per einstudiertem Kommando abverlangen, Leckerchen auf Boden suchen lassen, Hund "schön futtern lassen" etc. So kann sich der Hund doch nie mit der Situation auseinander setzen, wenn er immer abgelenkt wird. Und Leinepöbeln bedeutet Stress- für Fraule und Hund. Mehrere Jahre würde ich das auch nicht wollen, ist für alle Seiten unangenehm und anstrengend und kann den Spaziergang versauen (und evtl. mal zu einer Gegenreaktion vom anderen Hund führen, die nicht so schön ist;) ).
    Schlagen, Leine überziehen etc. ist unverhältnismäßig und brutal. Aber sich mal groß machen und den eigenen Hund abblocken und Aufmerksamkeit einfordern ist recht easy und wirkt Wunder. Und ein Duchmäuschen wird da auch nicht draus, nur ein Hund, der endlich versteht, was von ihm verlangt (bzw. nicht gewollt) wird.

    LG
    Anne und Nasen

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  13. Meine "Gassigeh"-Freundin ist immer ganz empört, wenn meine kleine Chihuahuamaus Lilly sich furchtbar echauffiert, wenn wir andere Hunde treffen. "Und das bei Dir als Hundetrainerin! Die ist einfach nur unerzogen!". Ja, und das mir als Hundetrainerin! Lilly hat absolut Recht. Mit 2 kg Kampfgewicht MUSS man schimpfen, wenn man andere Hunde sieht, ist ja auch gruselig. So, und was mache ich - schwupps, nehm meine kleine Maus auf den Arm. Jawohl! Denn da ist sie augenblicklich still. Klar, weil ich ihr in dem Moment Schutz biete, sie aus der Situatuion rausziehe. So kann sie sich entspannen und sicher fühlen. Mami macht das schon, die nimmt den Kampf mit den Bestien ganz toll auf. Und da fällt mir echt kein Zacken aus der Krone. Auch als Hundetrainerin. Und das Tolle ist: Lilly hat trotz des Hochhebens nach so vielen Jahren immer noch nicht versucht die Weltherrschaft zu übernehmen.

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